Test: Brettspiel Nemesis von Awaken Realms

Angespielt: Nemesis von Awaken Realms im Test

"Zu spät!" war mein letzter Gedanke bevor ich starb. Es war ein Fehler gewesen André zu vertrauen. „Danke noch einmal für Deine Hilfe“ sagte er lächelnd und verriegelte meinen Cyrotank. Kribbelnde Kälte stieg in meinen Venen auf. Dann wurde alles dunkel. Ich hatte verloren. Willkommen an Bord der Nemesis.

„Wir werden’s nicht mehr schaffen!“ sagte Lennard. Die Luft war schwül und stickig und der Gang vor uns war voller fremdartiger Lebewesen, die nicht so aussahen, als ob sie uns so einfach durchlassen würden.

Wahrscheinlich hatte er recht.

Das Nemesis-Testspiel war der letzte Punkt auf unserem Messebesuch in Essen und ich hatte nicht vor das zu verpassen. Zwar hatte ich keine Lust Kraft mehr für eine weitere Druckbefüllung komplexer Regeln – und dann noch auf Englisch. Aber meine Füße schmerzten und die Aussicht auf einen bequemen Sitzplatz war zu verlockend.

Außerdem wollte ich wissen, ob das viele Geld, dass wir für das Brettspiel bei Kickstarter verpulvert hatten, gut investiert war.

„Doch - wir schaffen das!“ sagte ich entschlossen und mobilisierte meine letzten Kräfte.

ALARM!


Wir erwachen im Schlafraum. Der Schiffscomputer hat uns Überlebende vorzeitig aus dem Tiefschlaf geholt. Weit bevor wir das eigentliche Ziel unserer Reise erreicht haben. Die Schiffssysteme spielen verrückt. Unser Plan: Herausfinden was los ist und das Schiff wieder auf Kurs bringen.

Aber wir sind nicht allein …
Spieletest Nemesis Brettspiel – havariert im tiefen All
Wir erreichten den Testspieltisch mit letzter Kraft. Der polnische Spielleiter im grell-grünen Rebel-Shirt (Rebel ist Vertriebspartner von Awaken Realms) erwartete uns bereits und wies uns im militärischen Ton an unsere Plätze. Eingeschüchtert nahmen wir unsere Charakterkarten und Decks entgegen.

Tatsächlich gibt es in Nemesis keinen Spielleiter oder Overlord. Das „Böse“ wird vom Spiel selbst gesteuert. In unserem Fall übernahm aber der Rebel-Mitarbeiter die Aufgabe, unsere fünfköpfige Spielgruppe durch die Gänge des havarierten Raumschiffs zu führen.

Das Nemesis-Spielfeld ist wirklich groß und bietet zwei Schiff-Layouts auf Vorder- und Rückseite. Und damit ziemlich viele Räume, die wir erkunden müssen. Um das in der vorgegebenen Rundenzeit zu schaffen, müssen wir fünf uns aufteilen.

Alleine im All


Ich, in der Rolle des Mechanikers, will mit dem Piloten (Lennard), zur Brücke gehen, um den Navigationscomputer zu überprüfen. Gleichzeitig macht sich der Captain, mit dem Söldner und dem Scout, auf den Weg zum Maschinenraum, um die Funktion der Antriebe für den nächsten Hyperraumsprung sicherzustellen.

Jeder in der Runde scheint bemüht, das Beste für die Gruppe zu geben.
Nemesis Brettspiel Spielerkarte
„Macht Euch vertraut mit eurer persönlichen Mission.“ sagt unser Spielleiter und drückt jedem zwei Karten in die Hand „Die sind geheim. Zu einem späteren Zeitpunkt müsst Ihr Euch für eine entscheiden, die ihr weiter verfolgen wollt.“

Auf einen Schlag sitzen fünf Einzelkämpfer am Tisch. Ich habe die Mission den Scout zu erledigen – oder alle Räume zu durchsuchen. Hmm. Ich bemerke, dass meine Mitspieler ebenfalls verstohlene Blicke in die Runde werfen. Aber erst einmal müssen wir uns darum kümmern, dass unser Schiff nicht in die Luft fliegt.

Dazu hat ein Spieler pro Runde zwei Aktionen. Zum Beispiel Bewegen, Durchsuchen, Reparieren oder Angreifen. Meine zwanzig Mechanikerkarten, wovon ich fünf auf der Hand halte, geben mir noch mehr Aktionsmöglichkeiten.

Nemesis: Weckt das Böse in dir


Ich erreiche mit dem Piloten den zentralen Steuerungsraum für die Luftschleusen. Das Modul muss repariert werden, damit blockierte Türen geöffnet werden können. Mit einer meiner Spezialkarten ist der Defekt schnell behoben. Außerdem finde ich eine Waffe. Die kann ich vielleicht noch gebrauchen ...

Insgesamt fällt die schiere Menge und Detailliebe des Spielmaterials auf. Die Raumplättchen sind beispielsweise an den sechs Ecken mit Zahlen markiert. Bei jeder Durchsuchung des Raums wird es weitergedreht bis es auf Null steht und hier nichts mehr zu finden ist.
Nemesis Spieltest - ein großes Spielfeld mit vielen Optionen
Auf der weit entfernten Seite der Spielbretts durchsucht der Scout gerade ebenfalls einen Raum, als sich hinter ihm die riesige Alien-Königin lautlos aus der Dunkelheit schält.

Während wir mit ihm beratschlagen, was er tun kann, rattert es in meinem Hinterstübchen: Ist das die Gelegenheit, mich des Scouts zu entledigen? Könnte ich vom Kontrollraum aus die Türen seines Raums verriegeln, damit die Königin ihn für mich erledigt?


Zu spät. Der Scout schießt wild drauf los und flieht. Das Biest wird verletzt und zieht sich in die Lüftungsschächte zurück. Vorerst.

„War wohl doch keine gute Idee, einen anderen Weg zu nehmen als der Pilot.“ denke ich, als ich direkt in eine Brutstätte der Intruder stolpere. Alles ist von klebrigem Gewebe überwachsen und aus einer dunklen Ecke kriecht ein halb ausgewachsener Intruder auf mich zu.


Bei den Intruders hat das Team um Spieleentwickler Adam Kwapiński ganze Arbeit geleistet. Vom Ei bis zur Königin sind verschiedene „faszinierende“ Entwicklungsstufen vorhanden. Höherstufige Aliens verhalten sich schlauer und sind schwerer zu besiegen.
Brettspiel Nemesis: Unheimliche Begegnungen im All
Der Kampf unterscheidet sich von herkömmlichen Spielen. Zwar erwürfelt man Schadenspunkte - aber in der Statusphase wird für jeden Intruder eine Karte gezogen. Ist der Wert höher, als der Schaden, den man gemacht hat, überlebt er. Wenn man Pech hat, wird man infiziert und verwandelt sich ebenfalls in einen Intruder.

Auch hier eine nette Spielerei. Über einen Rot-Folien-Scanner kann man seine gesammelten Verseuchungskarten darauf überprüfen, ob man sich infiziert hat.

Ein unvollendeter Albtraum


Den Intruder, der es auf mich abgesehen hatte, konnte ich mit einem Schuss erledigen, aber das Viech hat mich kontaminiert. Ich nutze meine Mechanikerkenntnisse um durch einen Wartungsschacht einen abgelegen Teil des Schiffs zu erreichen.

Alle unsere Aktionen verursachen Geräusche. Je mehr Aktionen wir an einer Stelle machen, um so sicherer ist es, dass wir die Intruder anlocken.

Ich finde ein Labor und mit Hilfe eines Medi-Bots kann ich den Intruder-Embryo in mir entfernen. Der Pilot hat es in der Zwischenzeit geschafft den Kurs Richtung Erde zu setzen und der Captain berichtet aus dem Maschinenraum, dass die Schiffsantriebe funktionsfähig sind. Gute Nachrichten — sofern sie die Wahrheit sagen ...

Aber schon jetzt, am Ende der vierten Runde ist klar, das unser Schicksal besiegelt ist. Mehr als die Hälfte aller Schiffsbereiche stehen in Flammen, viele überlebenswichtige Apparate sind funktionsuntüchtig. Drei oder vier Intruder schleichen durch die Gänge und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Königin wieder blicken lässt.

Da passt es ganz gut, dass uns unser Spielleiter aus unserem Albtraum erlöst und das Testspiel beendet.

Auch wenn es nicht gut für uns aussieht – Nemesis hat sich uns von seiner besten Seite gezeigt. Die beklemmende Stimmung eines Sci-Fi-Horror-Films trifft das Spiel genau:

Misstrauen, Eskalation und Ekel


Unser Testspiel lässt erahnen, dass Nemesis auch nach dem x-ten Spielabend noch spannend bleibt.

„Das war gar nicht so kompliziert!“ sage ich beim Abschied zum Spielleiter. „Es sind viele Regeln, viel zu beachten,“ erwidert er „ihr habt es nur nicht bemerkt, weil ich alles für euch gemacht habe.“

Das stimmt natürlich. Die Wiederspielfreude bei Nemesis hat seinen Preis: Viele kleine Regeln.

Das Spiel kann man zu zweit oder sogar alleine spielen — wirklich interessant ist es aber erst ab vier Spielern. Hmmm ... Die Menge der Regeln .... viele Spieler an einen Tisch bekommen .... das könnte problematisch werden. Da greift man vielleicht doch lieber zu einem anderen Spiel?
Nemesis Box - 5 kg  Brettspiel Science Fiction Inhalt
Die Nemesis-Box lässt Kinnladen runterklappen: Fünf Kilogramm Spielmaterial in Form von hochdetaillierten Miniaturen und opulenten Markern finden in einer sauber strukturierten Box ihren Platz.

Das Regelheft wirkt mit ca. 30 x 30 cm (so groß wie eine Schallplattenhülle) vielleicht etwas unhandlich - lässt aber hoffen, dass man zum Lesen keine Brille braucht und das tolle Artwork zur Geltung kommt.

Die schiere Menge und das toll aussehende Spielmaterial haben meine Sinne seinerzeit so geblendet, dass ich spontan 130 Euro dafür bezahlt habe (+50 Euro für eine Erweiterung und Versandkosten). Bleibt zu hoffen, dass wir es schaffen, das Spiel häufig genug zu spielen.

Verdient hätte es das.
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